Hauptinhalt

Neue Bernsteinfunde

Bernsteinfragment aus der Antarktis
Mikroskopaufnahme eines 50 Mikrometer großen Bernsteinfragments.  © V. Schumacher Alfred-Wegener-Institut

Der Sächsische Geologische Dienst schaut über den Tellerrand hinaus: Die weltweit ersten Bernsteinfunde der Antarktis aus 90 Millionen Jahre alten Paläowäldern am Südpol belegen neueste Forschungen unter Mitarbeit einer jetzt im LfULG arbeitenden Referentin.

Bernsteine, also vollkommen ausgehärtete und in festen Partikeln erhaltene fossile Harze, treten weltweit in zahlreichen stratigraphischen Abschnitten auf. Erste Harzreste sind bereits aus dem Devon beschrieben und finden sich seither in vielfältigen Ablagerungsbedingungen.

Bernstein aus Sachsen

Retinite_in_Braunkohlenton_Sachsen
Bröselige und trübe Retinit-Konkretionen (nicht polierbar) aus dem basalen Braunkohlenton des Flözes 23 aus dem sächsischen Tagebau Vereinigtes Schleenhain (Einbettung vor ca. 37 Mio. Jahren)  © H. Gerschel

Auch in Sachsen sind Funde fossiler Harze keine Seltenheit, wie die Handstücksammlung der Landesgeologie mit zahlreichen Einzelstücken belegt. Zumeist stehen sie jedoch in Zusammenhang mit den känozoischen Sedimenten des mitteldeutschen, mitunter auch des Niederlausitzer Raumes und zeugen in Form von bröseligen Harzspuren, sog. Retinit, von den tertiären Moorlandschaften und ihren Pflanzengesellschaften.

Rentinitkonkretionen aus Sachsen
Bröselige und trübe Retinit-Konkretionen (nicht polierbar) aus dem basalen Braunkohlenton des Flözes 23 aus dem sächsischen Tagebau Vereinigtes Schleenhain (Einbettung vor ca. 37 Mio. Jahren).  © H. Gerschel

Deutlich seltener sind dagegen schon die Funde von echtem Bernstein. Doch auch dieser kommt auf NW-Sächsischem Terrain um Leipzig und landesübergreifend in Sachsen-Anhalt vor; allen voran in der 1972 entdeckten und weltberühmt gewordenen Bernsteinlagerstätte des ehemaligen Tagebaus Goitzsche bei Bitterfeld. Aber auch abseits dieser Hotspots der Bernsteinforschung konnten bereits Harzreste in sächsischen Gesteinen unterschiedlicher Alter nachgewiesen werden. So trafen nach Tröger (2011) bspw. Bohrungen zwischen Lohmen und Pirna auf Bernsteingerölle in Gesteinen der mittleren Kreidezeit (Turonium).

Rohbernsteine aus Sachsen
Rohbernsteine (nicht poliert) unterschiedlicher Einbettungsalter (links: eiszeitliches Bernsteingeröll, rechts: vor 30 bis 50 Mio. Jahren abgelagerte känozoische Bernsteine) aus dem Leipziger Raum in der Handstücksammlung der Landesgeologie Sachsen.  © LfULG

Erster Bernsteinfund der Antarktis

Bernsteinfragmente Antarktis
Makroaufnahmen von Bernsteinfragmenten in der Braunkohle aus der Pine Island Probe.  © V. Schumacher AIfred-Wegener-Institut und H. Gerschel TU Bergakademie Freiberg

In Gesteinen ähnlichen Alters, aber weit außerhalb von Sachsen gelegen, wurde nun ebenfalls Bernstein nachgewiesen. Das Besondere daran: Die untersuchte Probe stammt aus der Antarktis – dem einzigen Kontinent, von dem bislang noch keine Harzspuren bekannt waren. Gefunden wurde die Probe in ca. 53 m Teufe in einem Sedimentkern aus der Pine Island-Bucht im Amundsenmeer, erbohrt in 946 m Wassertiefe im Rahmen einer Expedition mit dem Forschungseisbrecher Polarstern im Jahr 2017.

»Die Bernsteinfragmente, die wir jetzt analysieren konnten, erlauben einen direkten Einblick in die Umweltbedingungen der Westantarktis vor etwa 90 Millionen Jahren«, sagt Erstautor Johann P. Klages vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

»Dieser faszinierende Fund erlaubt auch erste Hinweise darauf, wie der Wald, den wir in einer Nature-Studie im Jahr 2020 rekonstruiert hatten, funktioniert hat«, ergänzt der Meeresgeologe. »Es ist total spannend, dass auf allen sieben Kontinenten irgendwann in ihrer Geschichte Klimabedingungen herrschten, die harzproduzierende Bäume haben überleben lassen. Wir wollen nun noch mehr über das Waldökosystem herausfinden, ob es gebrannt hat, ob wir noch Spuren von Leben im Harz finden - diese Entdeckung erlaubt uns nochmals eine andere Form von Zeitreise in die Vergangenheit.«

Wer jetzt große Klumpen Bernstein erwartet, wird jedoch enttäuscht: Für die auflicht- und fluoreszenzmikroskopischen Untersuchungen mussten die Forschenden das Ausgangsmaterial nach dem Trocknen an der Luft zunächst in etwa einen Millimeter große Fragmente zerkleinern, bevor daraus die Bernsteine gepickt werden konnten. Trotzdem gibt es spannende Strukturen zu entdecken: »Der antarktische Bernstein zeigt mögliche Überreste von Baumrinde, die als Mikroeinschlüsse erhalten sind. Er hat mit festen, klaren und durchscheinenden Partikeln Bernsteinqualität, die auf eine oberflächennahe Lagerung hinweist, da sich der Bernstein mit zunehmender thermischer Belastung und Vergrabungstiefe auflösen würde“, erläutert Henny Gerschel, bis vor kurzem Mitarbeiterin der TU Bergakademie Freiberg und jetzt Referentin im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Die außerdem gefundenen Anzeichen von pathologischem Harzfluss zeigen an, dass die Pflanzen typischerweise durch Parasiten oder Waldbrände verursachte Verletzungen ihrer Baumrinde versiegelten, um dadurch eine chemische und physikalische Barriere gegen Insektenangriffe und Infektionen zu schaffen. »Unsere Entdeckung ist ein weiteres Puzzlestück, das uns hilft, den sumpfigen, von Nadelbäumen dominierten, gemäßigten Regenwald in der Nähe des Südpols aus der mittleren Kreidezeit besser zu verstehen.«

Publikationen zum Bernsteinfund aus der Antarktis

Originalpublikation

J. P. Klages, H. Gerschel, U. Salzmann, G. Nehrke, J. Müller, C.-D. Hillenbrand, S. M. Bohaty, and T. Bickert: First discovery of Antarctic amber; Antarctic Science (2024). DOI: 10.1017/S0954102024000208

Pressemitteilungen

Alfred-Wegener-Institut: Erster Bernsteinfund auf antarktischem Kontinent

Alfred-Wegener-Institut: Spuren eines Regenwaldes in der Westantarktis

zurück zum Seitenanfang