Die Zwischengebirge
Gesteinskomplexe des obersten Allochthons
Im höchsten strukturellen Niveau des Grundgebirges befinden sich die Gneis-Komplexe von Frankenberg (Frankenberger Zwischengebirge), Wildenfels (Wildenfelser Kristallin-Komplex), Münchberg (Münchberger Gneismasse, südlich von Hof in Bayern) und dem Eulengebirge (Gory Sowie, Polen). Diese Einheiten spielen eine Schlüsselrolle für das Verständnis der tektonischen Entwicklung des variszischen Gebirges. Da diese Gesteinseinheiten nur als Erosionsrelikte vorkommen, werden sie als "Zwischengebirge" bezeichnet.
Franke (1984) dokumentierte und untersuchte die Münchberger Gneismasse im Detail und erarbeitete eine erste plattentektonische Interpretation für ihre Entstehung. Einen Überblick über alle Zwischengebirge kann man in Klemd (2010) nachlesen.
Die Münchberger Gneismasse ist ein 30 x 40 Kilometer großer Gesteinskomplex, der gut untersucht ist, weshalb hier Daten aus diesem Gneis-Komplex zitiert werden. Das Frankenberger Zwischengebirge ist nur 20 x 5 Kilometer groß und kann als Erosionsrelikt einer größeren Gesteinseinheit gelten. Der Wildenfelser Kristallin-Komplex hat eine Größe von 2 x 1 Kilometern. Gemeinsam ist diesen Gesteinskomplexen, dass in ihnen amphibolitfazielle und Hochdruck-metamorphe Gesteine auf niedriggradig metamorphen Schiefern platziert sind, also inverse Metamorphose-Profile vorliegen. Deshalb wurden diese Einheiten schon sehr frühzeitig als tektonische Decken interpretiert (Suess 1912, Kossmat 1925, 1927) und werden heute als oberstes Allochthon der Saxothuringischen Zone bezeichnet (Kroner et al. 2007).
Der Aufbau der Gesteinskomplexe der Zwischengebirge
Die Gneiskomplexe werden in vier bis fünf lithologische Einheiten unterteilt, welche sich von Gneiskomplex zu Gneiskomplex ähneln und einen Deckenstapel bilden. Die einzelnen Decken werden durch mylonitische Scherzonen an ihrer Basis begrenzt. Das sind Deformationszonen die sich bei erhöhten Temperaturen unter duktilen Bedingungen ohne Kohäsionsverlust gebildet haben. Diese Zonen werden von feinkörnigen, gut eingeregelten Gesteinen, den Myloniten, aufgebaut.
Die unterschiedlichen Mineralassoziationen, welche die Gesteine aufbauen, bilden sich unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen, die dem Petrologen Auskunft darüber geben können, in welcher Tiefe und bei welchen Temperaturen die metamorphe Überprägung stattfand. Verwendet man zusätzlich Methoden der radiometrischen Altersdatierung, kann man auch die zeitliche Entwicklung der Gesteine charakterisieren. Strukturen die im Gestein gefunden werden, insbesondere die Foliation und die Streckungslineare, geben Hinweise auf Richtung und Charakter der tektonischen Bewegungen, die zur Metamorphose führten. Aus der Synthese dieser Daten lässt sich die Entwicklungsgeschichte von metamorphen Gesteinseinheiten rekonstruieren.
Im Liegenden der Gneiskomplexe lagern nicht metamorphe oder niedriggradig metamorphe paläozoische Sedimente der thüringischen Faziesreihe, wie sie auch im Vogtland angetroffen werden.
Darüber folgen vulkano-sedimentäre Einheiten des Ordoviziums bis Unterkarbons, welche im Frankenberger Zwischengebirge in einem nicht-überkippten Profil vorkommen, in der Münchberger Gneismasse jedoch in einem inversen Profil, wobei die karbonen Einheiten im Liegenden und die ordovizischen Einheiten im Hangenden auftreten. Die Fazies der Sedimente dieser Einheit unterscheidet sich von der thüringischen Fazies in der Unterlage des Deckenstapels. So treten Kieselschiefer und Hornsteine auf, welche Tiefseesedimente des inneren Schelfbereichs darstellen. Im Karbon kommen größere Kalksteinkörper vor, welche als Kohlenkalk bezeichnet werden und Flachwasserbildungen sind. Diese Sedimentabfolge wird als bayrische Fazies bezeichnet, da sie typisch für das Umfeld der Münchberger Gneismasse ist.
Darüber folgt eine Decke, welche in der Münchberger Gneismasse als Prasinit-Phyllit-Serie und im Frankenberger Zwischengebirge als Prasinit-Serie bezeichnet wird. Sie besteht aus grünschiefer- bis amphibolitfaziellen Vulkaniten und Pyroklastiten sowie Peliten. Die Vulkanite haben die geochemische Signatur von Inselbogenmagmatiten (Oppermann 1985; Okrusch et al. 1989; Werner 1989, 1990).
In der Münchberger Gneismasse folgt darüber die Randamphibolit-Serie, welche aus Amphiboliten besteht, welche die geochemische Signatur von Ozeanbodenbasalten aufweisen (Okrusch et al. 1989). Für diese Gesteine wurden Druck-Temperatur-Bedingungen von ca. 650 Grad Celsius und 20-27 Kilometern Tiefe bestimmt (Schüssler et al. 1986). Im Frankenberger Zwischengebirge tritt die Randamphibolit-Serie nicht auf.
Darüber folgt eine Decke aus Gneisen, welche in der Münchberger Gneismasse als Liegend-Serie bezeichnet wird und im Frankenberger Zwischengebirge als Frankenberger Gneis-Serie. Bosbach et al. (1991) ermittelten für diese Gesteine Metamorphose-Bedingungen von 600 Grad Celsius und 30-33 Kilometern Tiefe.
Darüber folgt die Hangend-Serie der Münchberger Gneismasse, welche mit der Hornblende-Serie des Frankenberger Zwischengebirges korreliert. Sie besteht aus verschiedenen amphibolitfaziellen Gesteinen wie Amphibolit, Hornblendeschiefer und Gneis. Charakteristisch für diese Einheit sind Hochdruck-anzeigende metamorphe Bildungen wie Phengit und Eklogit. Werner (1989) und Rötzler et al. (1999) haben Amphibolite im Frankenberger Zwischengebirge geochemisch analysiert und für grobkörnige Amphibolite die Signatur eines Midocean-Ridge-Basalts (MORB, Mittelozeanischer-Rücken-Basalt) erhalten, für feinkörnige Amphibolite die Signatur eines kontinentalen magmatischen Bogens. Rötzler et al. (1999) bestimmte die Metamorphose-Bedingungen für die Hornblende-Serie mit einem Maximum von 500 Grad Celsius und 30-40 Kilometern Tiefe.
Strukturgeologische Daten
Charakteristisch für alle Deckeneinheiten sind Nordost-gerichtete Streckungslineare, welche einen tektonischen Transport in dieser Richtung anzeigen.
Die wichtigsten Großstrukturen sind zwei Überschiebungsbahnen: eine, an welcher die Sedimente der bayrischen Fazies auf Sedimente der thüringischen Fazies überschoben wurden, und eine, an welcher die Metamorphite über die Sedimente bayrischer Fazies überschoben wurden.
Radiometrische Altersdaten
Radiometrische Altersdatierungen zeigen einen Metamorphose-Höhepunkt vor 395-380 Millionen Jahren an (Stosch und Lungmair 1990) und eine Exhumierung und Abkühlung vor 369-358 Millionen Jahren (Kreuzer et al. 1989). Metamorphe Glimmer und Hornblenden ergaben ein Metamorphose-Alter von 380-360 Millionen Jahren (Kreuzer et al. 1989).
Diese Daten belegen ein deutlich älteres Metamorphose-Ereignis als jenes, welches die Gesteine in Erzgebirge und Granulit-Massiv prägte. Somit liegt neben dem inversen Metamorphose-Profil auch ein inverses geochronologisches Profil der Gneis-Komplexe und ihrer Unterlagen vor, das den allochthonen Charakter der Gesteine unterstreicht.
Plattentektonische Interpretation
Die Gesteine des obersten Allochthons haben eine Schlüsselstellung für die plattentektonische Interpretation der variszischen Gebirgsbildung. Sie belegen früh-variszische Prozesse wie die Existenz eines Ozeans nördlich von Gondwana (grobkörnige Amphibolite mit MORB-Signatur) und einer silurisch-devonischen Subduktionszone (Hochdruck-Bildungen) mit magmatischem Bogen (Prasinit, feinkörniger Amphibolit). Damit unterscheiden sich diese Gesteine deutlich von den Metamorphiten des Erzgebirges und Granulit-Massivs, welche sich in einer kontinentalen Subduktionszone bildeten und ca. 30-50 Millionen Jahre jünger sind. Die radiometrischen Altersdaten belegen, dass sich die ozeanische Subduktionszone, an welche die Gesteine des obersten Allochthons gebunden waren, vor der kontinentalen Subduktionszone bildete. Erst nach der Schließung des Ozeans wurde die kontinentale Lithosphäre subduziert und gestapelt.
Die Platzierung des obersten Allochthons in seiner heutigen strukturellen Position muss jedoch viel jünger sein, da die Gesteine auf niedriggradig metamorphe Decken des Erzgebirges überschoben wurden.
Heute bilden Gesteinskomplexe des obersten Allochtons Erosionsreste, welche nördlich des Fichtelgebirge-Erzgebirge-Komplexes erhalten blieben.
Gesteine des Frankenberger Zwischengebirges erleben
Quellenangaben
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Franke, W. (1984): Variszischer Deckenbau im Raume der Münchberger Gneismasse – abgeleitet aus der Fazies, Deformation und Metamorphose im umgebenden Paläozoikum. Geotekt. F. 68.
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