Neotektonik und Seismizität in Westsachen und Nordwestböhmen
Seismologische und tektonische Untersuchung der Leipzig-Regensburg-Erdbebenzone
Im Rahmen dieses Projektes wurde erstmal ein eindeutiger Beleg dafür gefunden, dass die als Leipzig Regensburg-Zone bekannte Erdbebenzone in Westsachsen durch aktive Nord-Süd streichende Störungen gebildet wird. Die Bereiche der größten Aktivität liegen an den Kreuzungspunkten zwischen alten herzynischen Nordwest-Südost-streichenden Störungen mit diesen jüngeren Nord-Süd-streichenden Störungen.
Projektlaufzeit
08/2017 – 03/2022
Projektpartner
Institut für Geophysik und Geologie, Universität Leipzig
Projektziele
Ziel ist eine vertiefte seismologische und tektonische Untersuchung und Bewertung der Leipzig-Regensburg Störungszone in Westsachsen in Hinblick auf eine mögliche seismische Gefährdung. Insbesondere soll durch die Kombination von seismologischen Daten, Spannungsfeldmodellierungen und gezielten geophysikalischen Erkundungen von Störungselementen der Zusammenhang zwischen oberflächennahen Strukturen und den tiefliegenden seismischen Herdgebieten hergestellt werden.
Durchgeführte Arbeiten
Ausgehend von der bestehenden Routineauswertung durch Lokalisierung und Magnitudenbestimmung der Erdbeben wurden Herdflächenanalysen mittels einer Momententensor-Inversion durchgeführt. Aufbauend auf den Kenntnissen der Herdflächen wurde das regionale Spannungsfeld invertiert, um bevorzugte Bruchrichtungen abschätzen zu können. Die Bruchflächen, welche in der Momententensor-Inversion gewonnen wurden, wurden anschließend an die Oberfläche projiziert, um diese mit Mitteln der aktiven Geophysik nachzuweisen.
Projektergebnisse
- Die Leipzig Regensburg-Zone wurde in zwei Bereiche unterteilt.
- Der erste Bereich ist die innere Leipzig Regensburg-Zone, welche Nord-Süd gerichtete Tiefenstörungen beinhaltet. Diese Zone ist ca. 5-10 Kilometer breit. Die Existenz der inneren Leipzig Regensburg-Zone konnte in der Momententensor-Inversion und der Spannungsfeldanalyse nachgewiesen werden.
- An der Erdoberfläche konnten nur wenige Hinweise auf Störungen, welche in dieser Richtung verlaufen, gefunden werden (Oberflächenmanifestationen der Störungszone). Lediglich die Počátky–Plesná-Störungszone und der kartierte Seitenarm der Thoßfeller-Störung bei Oelsnitz zeigen einen ähnlichen Aufbau wie die innere Leipzig Regensburg-Zone. Speziell für den Seitenarm der Thoßfeller-Störung ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser direkt mit der inneren Leipzig Regensburg-Zone in Verbindung steht, da eine Extrapolation in die Tiefe sehr gut mit den Momententensor-Lösungen korreliert.
- Das Fehlen weiterer Oberflächenmanifestationen von Nord-Süd-streichenden Störungen kann dadurch erklärt werden, dass diese Störungsrichtung noch relativ jung ist und im komplexen geologischen Umfeld noch keine großen oberflächennahen Brüche erzeugt hat. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Nord-Süd-streichenden Strukturen schon existieren, aber von Sedimenten oder Bewuchs überdeckt sind.
- Ausgehend von den Erkenntnissen der Počátky–Plesná-Störungszone könnten die Brüche in Nord-Süd-Richtung erst in den letzten 100-500 Tausend Jahren im mittleren Pleistozän entstanden sein. Es besteht demnach die Möglichkeit, dass es sich um ein großes Störungssystem handelt, das noch in einem embryonalen Stadium ist. Dies kann allerdings nicht zweifelsfrei bewiesen werden.
- Weiterhin wurde umfassend dargestellt, dass die Nord-Süd-Richtung nicht die alleinige aktive Störungsrichtung ist. Die Nordwest-Südost-streichenden herzynischen Störungen werden ebenfalls aktiviert. Die Kreuzungsbereiche der Strukturen stellen ein besonderes geodynamisches Risiko dar. So können entlang der Kreuzung der Leipzig Regensburg-Zone mit der Gera-Jáchymov-Zone, der Bergen-Klingenthal-Zone und der Mariánské-Lázně-Fault-Zone jeweils signifikante geodynamische Prozesse, wie starke Einzelbeben, Schwarmbeben und Fluidaufstiege registriert werden.
- Das Forschungsprojekt stellt eine umfassende Sammlung an Methoden zur Verfügung, welche auch weiterhin für die systematische Untersuchung derartiger Strukturen verwendet werden kann.
Ausblick
Die Interaktion einer möglichen embryonalen Nord-Süd-streichendenTiefenstörung mit den bekannten und zahlreich vorliegenden herzynischen Störungen konnte in dieser Arbeit nur abgeschätzt werden. Eine genaue gebirgsmechanische Modellierung zur Klärung dieser Fragestellung wäre eine sinnvolle Fortführung dieser Untersuchungen. Weiterhin sollte die Suche nach Oberflächenausbissen der vermuteten Störung weiter fortgesetzt werden. Nach den gewonnenen Erkenntnissen wäre es sinnvoll eine Suche nach einer Fortsetzung der Počátky–Plesná-Störungszone in Sachsen anzuschließen. Ebenso sollten die paläoseismischen Untersuchungen von STEPANCIKOVA et al. (2019) weiter nördlich auf sächsischem Gebiet, z.B. bei Klingenthal oder Bad Brambach fortgeführt werden. Eine kontinuierliche Überwachung der Leipzig-Regensburg Störungszone in Form von Routineauswertungen der Erdbeben und Momententensorinversionen ist in Anbetracht des geodynamischen Risikos der Zone unumgänglich.
Quellenangabe
STEPANCIKOVA, P., FISCHER, T., jr., J. S., NOVAKOVA, L., HARTVICH, F. & FIGUEIREDO, P. M. (2019): Active tectonics in the Cheb Basin: youngest documented Holocene surface faulting in Central Europe?, Geomorphology 327.
Abschlussbericht
- Neotektonik und Seismizität in Westsachen und Nordwestböhmen Schriftenreihe des LfULG, Heft 8/2023
Kontakt
Lutz Sonnabend
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E-Mail: Lutz.Sonnabend@smekul.sachsen.de