Das cadomische Gebirge in Sachsen: unsere ältesten Gesteine

Neoproterozoische Grauwacken sowie neoproterozoisch-frühkambrische Granodiorite und Granite

Felsen aus Grauwacke der Leipzig-Lausitz-Gruppe in der Gröditzer Skala am Löbauer Wasser.
Felsen aus Grauwacke der Leipzig-Lausitz-Gruppe in der Gröditzer Skala am Löbauer Wasser.   © LfULG

Die ältesten nachgewiesenen Gesteine in Sachsen sind ca. 550-580 Millionen Jahre alt (Gehmlich et al. 1997). Es handelt sich dabei um Sedimente und vulkanische Gesteine, welche an verschiedenen Stellen von Sachsen auftreten. In diese Gesteine intrudierten magmatische Tiefengesteine, welche u.a. einen Großteil der Lausitz aufbauen.

Ulf Linnemann und seine Kollegen haben diese Gesteine intensiv untersucht und mit einem plattentektonischen Modell als die älteste geologische Entwicklungsphase in Sachsen interpretiert. Eine ausführliche Beschreibung dieser Entwicklungsphase wird z. B. in Linnemann et al. (2010) gegeben.

Verbreitung von Gesteinen des cadomischen Grundgebirges

Karte der Gesteine des cadomischen Grundgebirges in Sachsen.
Verbreitung der Gesteine des cadomischen Gebirges in Sachsen.  © LfULG

Die Gesteine des cadomischen Gebirges bestehen aus neoproterozoischen Sedimenten, insbesondere Grauwacken, welche deformiert und niedriggradig metamorph überprägt wurden. Diese Gesteine bilden die Lausitzer Grauwacke und einen großen Anteil der Gesteine des Nordsächsischen Blocks.  In der Spätphase der Gebirgsbildung wurden Teile dieser Sedimente aufgeschmolzen, es entstanden großvolumige sauere Intrusivgesteine wie Granodiorit und Granit. Diese treten im Lausitzer Granodiorit-Komplex sowie in vereinzelten Kristallingesteinskörpern im Nordsächsischen Block auf. Kleine Vorkommen cadomischer Gesteine befinden sich in der Elbe-Zone. 

Einige Gesteine des cadomischen Grundgebirges wurden bei der variszischen Gebirgsbildung metamorph überprägt. Diese konnten als Ausgangsgestein einiger Gneise des Erzgebirges identifiziert werden.

 

Intrusivkontakt von Grauwacke und Granodiorit im Steinbruch Schwarzkollm.
Intrusivkontakt von Grauwacke und Granodiorit im Steinbruch Schwarzkollm bei Hoyerswerda. Der Kontakt wird an einer steilstehenden Störung sinistral um ca. 10-15 m versetzt.  © Prof. Klaus Stanek

Die Weesensteiner Gruppe findet sich südwestlich von Pirna in einem schmalen Südost-streichenden Bereich. Sie besteht aus Grauwacken, Konglomeraten und Sandsteinen. Besonders erwähnenswert ist die Einschaltung des ca. 70 Meter mächtigen Purpurberg-Quarzites.

Die Rothstein-Formation ist in der Nähe von Bad Liebenwerda zu finden (Rothstein-Felsen) und umfasst schwarze Kieselgesteine mit alaunschieferähnlichen Partien, in welche vulkanische Gesteine eingeschaltet sind. Die Vulkanite sind als Kissenlaven und Sills ausgebildet. Buschmann et al. (2001) haben eine vulkanische Aschenlage im Sediment datiert und ein Alter von 566 ± 10 Millionen Jahren ermittelt.

Die Leipzig-Lausitz-Gruppe ist in großen Teilen Nordsachsens anzutreffen und besteht überwiegend aus Grauwacken und Konglomeraten. Die Sedimente selbst lassen sich mit radiometrischen Methoden nicht datieren. Jedoch wurde eine darin eingeschaltete Tufflage in der Nähe von Kamenz mit einem Alter von 562 ± 4 Millionen Jahren datiert (Gehmlich et al. 1997). In die Leipzig-Lausitz-Gruppe sind Gerölle von Kieselgesteinen eingeschlossen, welche denen der Rothstein-Formation ähneln, sodass die Rothstein-Formation als eines der Liefergebiete des Sediments in Frage kommt. Außerdem gibt es Gerölle magmatischer Gesteine, deren geochemische Signatur anzeigt, dass sie von einem Inselbogen stammen.

Die Gesteine wurden tektonisch beansprucht und niedriggradig metamorph überprägt. Die Rothstein-Formation wurde auf die Leipzig-Lausitz-Gruppe überschoben (Buschmann et al. 1995). Solche Strukturen deuten auf einen bedeutenden Gebirgsbildungsprozess (Orogenese) hin, die cadomische Orogenese. Außerdem ist an einigen Stellen zu sehen, dass jüngere Sedimente aus dem Kambrium, welche diese Gesteine überlagern, nicht metamorphisiert wurden und undeformiert blieben. Die Grenze zwischen beiden Gesteinstypen wird als cadomische Diskordanz bezeichnet und wurde von Buschmann et al. (1995) beschrieben. Sie liefert eine Zeitmarke für das Ende der Gebirgsbildung.

Magmatische Tiefengesteine, Granoddiorite und Granite, bauen heute den größten Teil der Südlausitz auf und sind in kleinen Gesteinskörpern auch über Nordwestsachsen verteilt anzutreffen. In den Granodioriten sind Bruchstücke von Grauwacke enthalten. Diese Befunde zeigen, dass die Granodiorite jünger sind als die Grauwacken. Das wird auch durch radiometrische Altersdaten bestätigt, die besagen, dass die granodioritischen Schmelzen vor 542-530 Millionen Jahren (Gehmlich 2003) kristallisierten.

Sedimentologische und plattentektonische Interpretation der cadomischen Gesteine

Geologisches Blockbild des aktiven Kontinentalrandes von Gondwana während der cadomischen Gebirgsbildung
Geologische Situation zu Beginn der cadomischen Gebirgsbildung nach Linnemann et al. (2010): Vor Gondwana bildete sich ein aktiver Kontinentalrand mit einem Inselbogen und Back-Arc-Becken. In diesem Back-Arc-Bereich wurden die sächsischen Gesteine der Rothstein-Fomation und der Weesenstein-Gruppe abgelagert. Außerdem wurden vom Inselbogen Grauwacken geschüttet. Bei fortschreitender Einengung (nicht im Blockbild dargestellt), schloss sich das Back-Arc-Becken und die darin abgelagerten Gesteine wurden gefaltet und überschoben. Es kam zu weiteren Grauwackenschüttungen vom Inselbogen.   © LfULG verändert nach Linnemann et al. (2010)

Um eine Vorstellung zu erhalten, wie vor einer halben Milliarde Jahre die Landschaft aussah, in der sich all diese Gesteine gebildet haben, interpretieren Geologen ihre Daten nach dem aktualistischen Prinzip. Das heißt, sie schauen, in welchen Landschaften heute gleichartige Gesteine auftreten. So sehen Linnemann et al. (2010) im Purpurberg-Quarzit der Weesensteiner Gruppe Ähnlichkeiten mit den Sedimenten eines Strandsandes. Kieselschiefer, wie sie in der Rothstein-Formation gefunden werden, lagern sich heute in der Tiefsee auf typischen Ozeanboden-Basalten ab. Grauwacken bilden sich aus marinen Trübeströmen typischerweise am Fuß von Kontinentalhängen. Sie entstehen in Zeitphasen, die tektonisch aktiv sind, sodass auf dem Kontinentalhang abgelagerte Sedimente bei einem Erdbeben plötzlich abrutschen und im Trübestrom umgelagert werden. Die Grauwacken der Leipzig-Lausitz-Gruppe ähneln Schüttungen von einem Inselbogen in ein Back-Arc-Becken, wie es heute im Japanischen Meer gefunden werden kann.

Aus solchen und vielen weiteren Befunden leiteten Linnemann et al. (2007) die Vorstellung ab, dass sich die cadomischen Gesteine an einem aktiven Kontinentalrand bildeten, welcher dem heutigen Ostrand Asiens mit seinen vorgelagerten Inselbögen ähnelte. Der cadomische aktive Kontinentalrand hat nördlich von Südamerika und Afrika gelegen, die damals noch im Kontinent Gondwana zusammenhingen. Vor dem Kontinent bildete sich ein Inselbogen, welcher in Sachsen indirekt als Ausgangsgestein von Sedimenten nachweisbar ist. Die vulkanischen Ablagerungen in der Rothstein-Formation und Leipzig-Lausitz-Gruppe liefern ebenfalls ein Indiz darauf, dass es Vulkane in der Gegend gab. Zwischen dem Inselbogen und dem Kontinent bildete sich ein Back-Arc-Becken. In diesem lagerten sich die Gesteine der Rothstein-Formation ab. Man geht davon aus, dass Inselbogen und Kontinent miteinander kollidierten und sich das Back-Arc-Becken dabei schloss. Die Gesteine darin wurden gefaltet, an Störungen übereinander gestapelt und metamorphisiert. Dabei bildete sich ein Retro-Arc-Becken, welches deutlich jünger ist als das Back-Arc-Becken und in welchem sich die Gesteine der Leipzig-Lausitz-Gruppe ablagerten. Auch dieses Becken wurde wieder eingeengt und die Gesteine darin wurden gestapelt. Dadurch verdickte sich die Erdkruste so weit, dass sie aufschmolz und sich granodioritische Magmen bildeten. Die Schmelzen nahmen in den Sedimenten Platz und kristallisierten.

Die cadomischen Gesteine bilden die Unterlage für alle später abgelagerten Sedimente und werden deshalb als cadomisches Grundgebirge bezeichnet. Da sie in die folgenden geologischen Prozesse, z. B. den Versatz an tektonischen Störungen, Erosion und Metamorphose einbezogen wurden, ist die geographische Lage der Einheiten zueinander und die Lithologie der Gesteine häufig nicht mehr erhalten. So konnte nachgewiesen werden, dass die Gesteine der Freiberger Gneis-Einheit aus cadomischen Granodioriten entstanden, welche bei der Bildung des Erzgebirges vor ca. 340 Millionen Jahren metamorphisiert wurden (Tichomirowa 2003). Auch Äquivalente der Weesensteiner Gruppe und der Leipzig-Lausitzer Grauwacke konnten unter den verschiedenen Gneisen des Erzgebirges identifizieren werden (Tichomirowa 2003).

Gesteine des cadomischen Gebirges erleben

Keulenberg

Vogelberg

Gröditzer Skala

Projekt Grauwacken

Dünnschliffbild Grauwacke

Quellenangaben

Buschmann, B. (1995): Geotectonic facies analysis oft he Rothstein Formation (Neoproterozoic, Saxothuringian Zone, Germany. Dissertation, TU Bergakademie Freiberg.

Buschmann, B., Nasdala, L., Jonas, P., Linnemann, U., Gehmlich, M. (2001): Shrimp U-Pb-dating oft uff-derived and detrital zircons from Gondwana marginal basin fragments (Neoproterozoic) in the north-eastern Saxo-Thuringian Zone (Germany). N. Jb. Geol. Paläont. Mh. 6, 321-342.

Gehmlich, M., Linnemann, U., Tichomirowa, M., Lützner, H., Bombach, K. (1997): Datierung und Korrelation neoproterozoisch-frühpaläozoischer Profile des Schwarzburger Antiklinoriums und der Elbezone auf der Basis der Geochronologie von Einzelzirkonen. Z. geol. Wiss. 25, 191-201.

Gehmlich, M. (2003): Die Cadomiden und Varisziden des Saxothuringischen Terranes – Geochronologie magmatischer Ereignisse. Freib. F.H. C500.

Linnemann, U., Gerdes, A., Drost, K., Buschmann, B. (2007): The continuum between Cadomian Orogenesis and opening of the Rheic Ocean: Constraints from LA-ICP-MS U-Pb ziircon dating and analysis of plate-tectonic setting (Saxo-Thuringian Zone, NE Bohemian massif, Germany). In Linnemann, U., Nance, R.D., Kraft, P., Zulauf, G. (Eds.) The Evolution of the Rheic Ocean: From Avalonian-Cadomian Active Margin to Alleghenian-Variscan Collision, Geol. Soc. Am. Spec. Pap. 423, 61-96.

Linnemann, U., Romer, R., Gerdes, A., Jeffries, T.E., Drost, K., Ulrich, J. (2010): The Cadomian Orogeny in the Saxo-Thuringian Zone. In Linnemann, U., Romer, R. (Eds.) Pre-Mesozoic Geology of Saxo-Thuringia – From the Cadomian Active Margin to the Variscan Orogen, Schweizerbart Stuttgart, 37-58.

Tichomirowa (2003): Die Gneise des Erzgebirges – hochmetamorphe Äquivalente von neoproterozoischen-frühpaläozoischen Grauwacken und Granitoiden der Cadomiden. Freib. F.H. C495.

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